Gestern war einer der schwierigsten Tage für mich, seit die Therapie begonnen hat. Schwierig nicht in Bezug auf Schmerzen oder unangenehme Beschwerden, sondern die Realität einer bisher mir unbekannten totalen körperlichen Schwachheit und Kraftlosigkeit. Ich bin ja jetzt schon seit 8 Wochen der Therapie, jetzt im 3. Zyklus, und hatte bisher immer berichten können, dass sich die Nebenwirkungen bisher sehr in Grenzen gehalten haben (und das tun sie auch weiterhin). Aber ich habe wohl nicht realisiert, dass ich vermutlich in den ersten beiden Zyklen noch von meiner sonst guten gesundheitlichen Verfassung und körperlichen Kraftreserven gezehrt habe. Jetzt aber habe ich schon im Verlauf von Samstag und Sonntag gespürt, dass ich trotz vieler Ruhe und wenig Terminen, trotz langem Schlafen in der Nacht am Morgen schon mit Kraftlosigkeit und gefühlter Müdigkeit aufwache, wie ich das nicht gekannt habe. Laut dem Arzt und den Pflegekräften ist das „völlig normal“ bei den schwerwiegenden Medikamenten, die ich im Rahmen der Therapie erhalte. Aber ich habe es einfach bisher nicht realisiert und gekannt, und da hat es mich besonders gestern mit ziemlicher Wucht getroffen und erschüttert. Wer mich kennt, weiß, dass ich immer voller Ideen und Energie stecke und auch körperlich der Herr mir bisher immer eine gute Konstitution geschenkt hatte.

Jetzt auf einmal so loslassen zu müssen, so vom Herrn die völlige Schwachheit und Abhängigkeit bewusst gemacht zu bekommen, war nicht einfach für mich und ist ziemlich demütigend – aber heilsam! Es sind einige Tränen geflossen. Schon am Sonntagmorgen wollte ich voller Elan an beiden Teilen des Gottesdienstes teilnehmen, musste mir aber eingestehen, dass allein das Dabeisitzen (und natürlich aus vollem Herzen Mitsingen) schon nach dem ersten Teil meine Kräfte erschöpft hatte. Zuhause musste ich mich während der eindrücklichen Predigt von Max per Livestream sehr konzentrieren, um wach und dabei zu bleiben und der Struktur zu folgen. Auch da realisierte ich, dass die geistigen Kräfte nicht mehr so zu 100% da sind. Und da und dort sich auch auf einmal Fehler in meine Arbeit einschleichen, die ich einfach übersehe. Auch zu sehen, wie im Lauf des Tages meine Frau wieder an den Rand ihrer Kräfte kommt, weil dann soviel auf ihr lastet, und ich sie nicht entlasten kann, schmerzt und lässt mich weinen wie ein Kind.

Und der Charakter wird gefordert: Plötzlich werde ich ungeduldig und schimpfe vor mich hin, wenn etwas nicht klappt; statt demütig Gott um Weisheit und Lösung zu bitten. Ja, da muss ich noch lernen, mich verändern zu lassen, um Christus ähnlicher zu werden.

Und am Montagmorgen musste ich Erich meine Teilnahme am Brüdertreffen für den Abend absagen. Ja, das realistisch einzuschätzen und vor allem zu akzeptieren ist nicht einfach. Umso mehr half mir und Dietlind die Botschaft der Predigt von Max über die vier biblischen Prinzipien der „Selbst-Seelsorge“ und Seelsorge für andere, die er bei Elihu in Hiob 36 und 37 in seinem Verhalten gegenüber Hiob fand.

Weil sie wichtig für uns selbst und in der Hilfe für andere sind, möchte ich hier die vier Grundsätze, die Max am Sonntag ausgeführt hat, in einer Zusammenfassung gerne mit euch teilen:

  1. Die Seele soll Zeit und Raum für ihr Anliegen haben, darum wartet Elihu (Hiob 32,4) und gibt Hiob Zeit, sich auszusprechen und zu offenbaren. Gute Seelsorge beginnt mit sehr gutem Zuhören und Warten. Die Seele wird ermutigt, ihre Klagen auszusprechen und ihre Not vor Gott auszuschütten.
  2. Elihu will Hiob helfen, seinen Gedanken eine andere Blickrichtung zu geben (Hiob 36,3); darum vermeidet er eine Beurteilung oder sogar Verurteilung aus seiner eigenen Sicht, sondern weist auf die Sicht und die vollkommene Gnade Gottes hin, der – obwohl er allwissend und allmächtig ist, doch niemanden verachtet (Hiob 36,4). Hiob muss seine falschen Gedankengänge erkennen und merken, dass Gott durch das Leiden unsere Aufmerksamkeit will, unser Ohr öffnen will (Hiob 36,15). Das Ziel ist dabei, dass wir unsere Sache Gott überlassen und auf ihn warten.
  3. Elihu will Hiob auf das Reden Gottes vorbereiten (Hiob 36,22-3). Nur Gott kann Licht in das Dunkel bringen, er kennt den Weg und die Antwort auf unsere Fragen. Darum ist es Elihus Ziel, die Gedanken Hiobs an das Wort Gottes zu binden. Er ist weise, seine Gedanken sind höher als unsere Gedanken. Er wendet seine Gnade den Demütigen zu, aber weist menschlichen Hochmut und Stolz zurück.
  4. Elihu will Hiob mit der Sicht auf unsere Zukunftshoffnung ermutigen (Hiob 36,7). Die Bibel zeigt uns die Verheißungen Gottes, durch die wir Ausharren, Trost und Hoffnung bekommen. Darum harrte Hiob am Ende standhaft aus und erlebte Gottes Mitleid und Erbarmen (Jak 5,11). Mit unserem Gott und durch unseren Gott haben wir eine herrliche Zukunft!

Der oben angeführte letzte Vers der Predigt aus Psalm 68,20 ist das, woran ich mich jetzt auch in der Kraftlosigkeit klammern will und lernen will, daran festzuhalten:

„Gepriesen sei der Herr! Tag für Tag trägt er unsere Last; Gott ist unsere Rettung. – Sela.“

Jetzt muss ich lernen, von Tag zu Tag abwarten, was möglich ist, nichts tun, weil ich mich dazu zwingen will, sondern dem Körper und der Seele die Ruhe und die Zeit zu geben, die sie brauchen.

Heute Morgen hat mich einer meiner (leiblichen) Brüder sehr ermutigt, der mir ein Lied am Klavier aufgenommen und als Video mit dem gesprochenen Text von Psalm 84 geschickt hat:

„Glücklich ist der Mensch, dessen Stärke in dir ist, in dessen Herz gebahnte Wege sind! Sie gehen durch das Tränental und machen es zu einem Quellort. Ja, mit Segnungen bedeckt es der Frühregen. Sie gehen von Kraft zu Kraft. Denn der HERR, Gott, ist Sonne und Schild. Gnade und Herrlichkeit wird der HERR geben, kein Gutes vorenthalten denen, die in Lauterkeit wandeln. HERR der Heerscharen!  Glücklich ist der Mensch, der auf dich vertraut!“

Er erinnerte sich, dass ich vor vielen Jahren mal unseren Familienchor mit einem Text aus Psalm 84 geleitet hatte. In der Tat hatte ich zu der Hochzeit meines ältesten Bruders einen kleinen Chorsatz zu Psalm 84,12 gemacht, „Gott ist Sonne und Schild“, den wir damals dann als Chor bei der Hochzeit aufgeführt haben.

So werden wir immer wieder ohne unser Zutun gestärkt. Hier in Rafz wohnt ein Ehepaar, Robert und Vreni, die nach Effretikon in die Christliche Gemeinde gehen. Wir hatten uns länger nicht mehr gesprochen; jetzt riefen sie gestern einmal wieder an und erkundigten sich nach uns, und waren sehr betroffen von der Nachricht meiner Erkrankung. Später kam Robert vorbei, brachte einen Blumengruß mit einer Karte und einem Bibelvers, und bot spontan ihre Hilfeleistung an, z.B. für Fahrdienste. Das sind einfach immer wieder Ermutigungen, die uns sehr freuen.

Und gestern gab es eine ganz besonders große Freude: Priscilla und Christoph haben von Gott eine kleine Tochter, Yerusha, bekommen – das Geschenk und Wunder des neuen Lebens, und wir somit eine kleine Enkeltochter. Wir sind Gott so dankbar für das gesunde Mädchen, und laden euch ein, mit uns für dieses kleine Menschenkind und die frischgebackenen Eltern zu beten!

Über allem danken wir unserem Gott – „ER IST UNSERE RETTUNG!“.

Herzlichst, euer
Andreas

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