Morgen früh begebe ich mich für ungefähr drei Wochen in das Universitätsspital Zürich in ein Isolier-Einzelzimmer. Was mich in den letzten Tagen bewegte, und wie es weitergeht, liest du in meinem neuen Beitrag.

PDF Version

Hallo liebe Familie und Freunde,

heute fragte mich ein Freund, wie lange es jetzt her ist, seit die Krebskrankheit ans Licht kam. Vor genau vier Monaten (am 17. April 2021) begann in der Klinik Winterthur die 12-wöchige Chemotherapie, die erste Phase der Behandlung, die am 9. Juli abgeschlossen war. Manchmal kommt es mir so unwirklich vor, was sich alles in diesen Wochen ereignet hat. Langweilig ist es mir nie geworden, denn einerseits gab es immer wieder unangenehme Überraschungen und Schmerzen, die ich vorher so nicht erlebt hatte. Umso mehr habe ich mich aber auch über jede schöne und positive Überraschung gefreut – vor allem über Besuche, Anrufe, Zuschriften, Blumengrüße und mehr. Letzte Woche schickten Freunde ein liebevoll zusammengestelltes „Pflege-Paket“. Und gestern erhielt ich wieder ein schönes Lied, gesungen und musiziert von einem Teil meiner großen Familie. Der Text von Hedwig van Reedern ist heute genauso aktuell wie vor 120 Jahren, als sie ihn geschrieben hat. Er spricht mich immer sehr an, denn er drückt so viel Zuversicht aus, und das brauchen wir zur Zeit ganz besonders:

„Weiß ich den Weg auch nicht – du weißt ihn wohl; das macht die Seele still und friedevoll.
Ist’s doch umsonst, dass ich mich sorgend müh‘, dass ängstlich schlägt mein Herz – sei’s spät, sei’s früh.

Du weißt den Weg für mich, du weißt die Zeit, dein Plan ist fertig schon und liegt bereit.
Ich preise dich für deiner Liebe Macht, ich rühm‘ die Gnade, die mir Heil gebracht.

Du weißt, woher der Wind so stürmisch weht, und du gebietest ihm, kommst nie zu spät.
Drum wart‘ ich still, dein Wort ist ohne Trug; du weißt den Weg für mich – das ist genug.“

Morgen früh begebe ich mich für ungefähr drei Wochen in das Universitätsspital Zürich in ein Isolier-Einzelzimmer. Dort bekomme ich am selben Tag die Hochdosis-Chemotherapie; zwei Tage später erhalte ich dann per Infusion meine eigenen Stammzellen. Dann heißt es warten und beten, dass ich vor Infektionen bewahrt bleibe und sich meine Blutbildung und das Immunsystem möglichst schnell wieder aufbauen. Da beschleicht mich manchmal schon die Angst oder die Frage, wie ich wohl mit den einsamen Nachtstunden und den wahrscheinlich auftretenden Nebenwirkungen umgehen bzw. zurechtkommen werde.

Darum freue ich mich über verschiedene Bibelverse, die ihr mir in den vergangenen Tagen zugeschickt oder zugesagt und mich damit ermutigt habt. Hier sind einige davon:

„An dem Tag, als ich rief, antwortetest du mir; du hast mich ermutigt: In meiner Seele war Kraft.“ (Psalm 138,3)

„Gepriesen sei der Herr! Tag für Tag trägt er unsere Last; Gott ist unsere Rettung. – Gott ist uns ein Gott der Rettungen, und bei dem EWIGEN, dem Herrn, stehen die Ausgänge vom Tod.“ (Psalm 68,20-21)

Sie sind mittlerweile allgegenwärtig: Die durchsichtigen Plexiglas-Abtrennungen. Sie trennen Kunden und Schalterbeamten, Patienten und Pflegende; viele Pflegefachkräfte tragen neben Mundschutz und Brille einen durchsichtigen Gesichtshelm. Was in der heutigen Zeit eher ein Symbol der grassierenden Distanz und Einsamkeit geworden ist, hat in den Worten eines Psalm-Dichters eine ganz andere Tiefe:

„Du aber, HERR, bist ein Schild um mich her.“ (Psalm 3,4)

Gerade der letzte Vers mit dem Bild vom 360-Grad- Schild erinnerte mich an ein anderes Lied, dessen Refrain wie folgt lautet:

„Von allen Seiten umgibst du mich, o Herr!
Du bist nicht zu begreifen, dir sei Lob, Preis und Ehr!“

Das ist wohl auch in Anlehnung an Psalm 139,5 geschrieben:

„Von hinten und von vorn hast du mich eingeengt und deine Hand auf mich gelegt.“

Felix hat mich gestern noch daran erinnert, dass der Apostel Johannes am Anfang der Offenbarung (Kapitel 1,12-18) Christus in seiner Größe und Macht als Richter, Herrn und König sieht; unter anderem heißt es, dass dieser „in seiner rechten Hand sieben Sterne“ hatte. Dieselbe rechte Hand, die Sterne in ihren Bahnen lenkt, die durch Lichtjahre voneinander entfernt sind, diese Hand legt Christus wohlwollend und fürsorglich auf den Apostel, als dieser angesichts der furchterregenden Gestalt „zu seinen Füßen nieder(fällt) wie tot“; und Er sagt zu ihm: „Fürchte dich nicht!“

Seine Hand wird jetzt mit Dietlind und mit mir sein. Das nehmen wir fest und persönlich für uns in Anspruch. Als der Herr Jesus sich als der Gute Hirte vorstellte, gab er folgende Verheißungen:

„Meine Schafe hören meine Stimme, und ich kenne sie, und sie folgen mir; und ich gebe ihnen ewiges Leben, und sie gehen nicht verloren in Ewigkeit, und niemand wird sie aus meiner Hand rauben. Mein Vater, der sie mir gegeben hat, ist größer als alles, und niemand kann sie aus der Hand meines Vaters rauben. Ich und der Vater sind eins.“ (Johannes 10,27-30)

Vielen Dank für eure Gebete für Dietlind und für mich in den kommenden Wochen!

Herzliche Grüße
Andreas

 

PS: In Vorbereitung auf die unvermeidlichen Folgen der Chemo hat mir Dietlind schon mal eine ziemlich kurz gehaltene Frisur verpasst:

Zum Glück hat mein iPhone mein „Face“ noch erkannt! 

Telefonisch oder per Email bin ich nach wie vor zu erreichen. Wer mich besuchen möchte, sollte vorher mit mir oder – eigentlich besser – mit Dietlind Kontakt aufnehmen.