Predigtnotizen Markus Harbig Gehalten am Sonntag, 7. November 2021 in der Christlichen Gemeinde Neuhausen am Rhf. Abdruck hier mit freundlicher Genehmigung von Markus.
Heute möchte ich mit euch über unsere innere Haltung nachdenken. Die Bibel bezeichnet es als unsere Gesinnung. Es geht darum, was wir über Gott und was wir über uns selbst denken.
Ich lese nachher einen bekannten Text aus dem Philipperbrief mit euch. Zunächst aber noch einige Gedanken zu dem Zusammenhang, vor allem zur Entstehung der Gemeinde in Philippi. Das lesen wir in der Apostelgeschichte so schön. Es gefällt mir an der Bibel sehr, dass sie ein zusammenhängendes Buch ist. Man liest einen Brief im Neuen Testament, zum Beispiel den Philipperbrief, und kann nochmals in die Apostelgeschichte zurückblättern und nachlesen, was da passierte.
In Apostelgeschichte 16 berichtet Lukas, wie Paulus und Silas dorthin gekommen sind. Sie begannen, mit den Frauen zu reden, die sich am Fluss, einem öffentlichen Platz, immer zum Beten getroffen haben. Dort konnten sie mit den Frauen reden, ohne den Anstand zu verletzen. Ihnen gaben sie die Botschaft weiter, an die auch wir glauben, nämlich das Evangelium von Jesus Christus. Dann beschreibt Lukas so wunderbar, dass der Herr einer dieser Frauen, nämlich der Lydia, das Herz auftat, sodass sie aufmerksam auf das achtgab, was von Paulus und Silas geredet wurde.
Hier merkt man schon, worum es geht: Gott muss uns das Herz auftun, damit wir zum ersten Mal in unserem Leben so richtig nachzudenken beginnen. Und dann müssen wir achtgeben auf Gottes Wort. Was Lydia dort hörte, verband sich in ihrem Herzen mit dem Glauben. Sie wurde also an den Herrn Jesus gläubig, empfing den Geist Gottes und ließ sich taufen. So war der Startschuss für die Gemeinde in der Stadt Philippi gefallen.
Schon bald gab es Probleme. Eine von einem Wahrsagegeist besessene Sklavin lief immer wieder Paulus und seinen Begleitern hinterher. Sie rief jeweils aus[1]:
«Diese Menschen sind Knechte Gottes, des Höchsten, die euch den Weg des Heils verkündigen.»
Satan will auch nicht verlieren und seinen Raub freigeben. Diese Sklavin brachte ihren Besitzern viel Gewinn ein. Ihre Wahrsagerei führte dazu, dass viele Leute kamen, um für ihr Leben Rat und Weisung zu bekommen; sie wollten wissen, was vielleicht in ihrem Leben noch passieren würde. Damit lässt sich bis heute viel Geld verdienen.
Paulus wurde dann irgendwann traurig und unwillig, dass sie ihnen Tag für Tag hinterherschrie; darum gebot er irgendwann diesem Geist in der Autorität Jesu Christi, von ihr auszufahren. Das geschah, aber weil nun das Geld nicht mehr floss, wurden die Besitzer so wütend auf Paulus, dass sie Paulus und Silas festnehmen und öffentlich schlagen ließen.
Die jungen Gläubigen erlebten mit, was mit Paulus und Silas passierte. Diese hatten nichts Böses getan – im Gegenteil: Sie hatten nur Gutes getan und einer Frau geholfen, von ihrer Besessenheit frei zu werden. Dafür haben sie Schläge bekommen. Da hat diese junge Gemeinde gleich gemerkt, dass der Glaube an Jesus Christus seinen Preis hat. Wenn man den Willen Gottes tut, kann es sein, dass man Schläge bekommt.
Ich denke, dass noch niemand von uns öffentlich auf einem Platz geschlagen wurde. Aber einen kleinen Preis muss jeder bezahlen, der Christus nachfolgt.
Dann geschah etwas Wunderbares. Gott tat ein Werk im Gefängnis. Als sie wieder frei waren, gingen sie zu Lydia nach Hause und trösteten die Geschwister. Man könnte denken, dass die Geschwister sie getröstet hätten. Nein, Paulus und Silas haben die Geschwister getröstet. Denen wurde es auf einmal unheimlich und sie hatten Angst bekommen. Sie wussten ja, dass sie nichts Böses getan hatten, und trotzdem wurden sie geschlagen.
Einige Zeit später schreibt Paulus einen Brief an diese Gläubigen in Philippi. Den Abschnitt, den ich heute daraus mit euch lesen werde, habe ich von Kindheit an gehört. Er wurde sehr oft beim Mahl des Herrn vorgelesen. Der Text steht im 2. Kapitel des Briefes von Paulus an die Philipper. Ich möchte mit euch gemeinsam darüber nachdenken, vor allem über den, von dem der Text spricht: über Jesus Christus.
Text: Philipper 2,1-16.
Ich möchte am Anfang sagen, dass ich meine, dass aus unserer Gesinnung alles in unserem Leben entspringt. Manche formulieren es auch so: „Säe einen Gedanken, und du erntest eine Tat.“ Anders ausgedrückt, was wir tun, kommt aus dem, was wir denken. Was wir über Gott denken und was wir über uns selbst denken, ist von ungemeiner Wichtigkeit. Wir müssen uns selbst prüfen, was wir denken, was unsere innere Haltung bzw. unsere Gesinnung ist.
Als Christen müssen wir uns fragen, inwieweit unsere innere Haltung, d.h. unsere Gesinnung, der Gesinnung Jesu Christi entspricht. Es gibt so viel Trauriges in Gottes Volk in den Gemeinden, so viel Selbstsucht, so viel Streitigkeiten, so viel Unversöhnlichkeit, dass ich manchmal heulen könnte. Dabei lesen wir alle die Bibel, und wir denken an den Herrn Jesus und reden von ihm, aber wie wenig ist oft sichtbar in unserem Leben und in unseren Reaktionen von Jesus Christus!
Christus und Christ – das hängt zusammen! Das bedeutet: In unserem Leben als Christ soll Christus sichtbar werden. Ich kann euch sagen: Die schönsten Dinge, die ich in diesem Leben in meinem Bruder und in meiner Schwester gesehen habe, also in anderen Gläubigen, waren die Situationen, in denen ich an einer Reaktion etwas von Christus gesehen habe. Das geschah dann, wenn jemand auf eine Art und Weise reagiert, dass ich erkenne: Diese Reaktion strahlt eine Herrlichkeit aus, die nicht von dieser Welt ist, und ich erkenne meinen Herrn im Leben meines Bruders.
Wenn sich jemand zum Beispiel von einem anderen, dem er eigentlich völlig überlegen ist, verächtlich behandeln lässt und das einfach schweigend annimmt, so hat das für mich eine Schönheit. Das ist nur ein kleines Beispiel, und wir werden noch andere Beispiele anschauen.
Aber die wichtige Frage für uns alle ist diese: Wie ist meine innere Haltung? Was denke ich über Gott und über mich selbst, und inwieweit entspricht diese innere Haltung, diese Gesinnung, der Gesinnung Jesu Christi? Denn das ist mir bei diesem Text wichtig geworden, als ich anfing, aus eigenem Interesse intensiv die Bibel zu lesen, als Gott mich ergriffen hat.
Wie gesagt, sehr oft habe ich diese Worte beim Mahl des Herrn gehört. Mein Vater stand oft vorne mit der Bibel in der Hand und hat diesen Text vorgelesen. Dabei schauen wir auf Christus, und das ist etwas Wunderbares! Aber die erste Bedeutung dieses Textes ist, dass du oder ich genau diese Haltung haben wie Christus. Wir sollen nicht dabei stehen bleiben, dass wir Christus Woche für Woche anschauen und ihm danken. Das soll auf uns abfärben; das ist ja Gottes Ziel mit seinen Kindern, dass wir seinem Sohn ähnlicher werden. Dafür hat er uns durch seinen Geist alles gegeben, was wir dazu brauchen.
Paulus beginnt den Text und sagt in Vers 1:
«Wenn es nun irgendeine Ermunterung gibt in Christus, wenn irgendeinen Trost der Liebe, wenn irgendeine Gemeinschaft des Geistes, wenn irgend innerliche Gefühle und Erbarmungen …»
Es gab diese wunderbaren Dinge in dieser jungen Gemeinde. Aber Paulus sagte ihnen: „Damit ich mich wirklich vollkommen freuen kann, fehlt noch etwas.“ So fährt er in den Versen 2 bis 4 fort:
«… so erfüllt meine Freude, dass ihr gleich gesinnt seid, dieselbe Liebe habend, einmütig, eines Sinnes, nichts aus Streitsucht oder eitlem Ruhm tuend, sondern in der Demut einer den anderen höher achtend als sich selbst; ein jeder nicht auf das Seine sehend, sondern ein jeder auch auf das der anderen.»
„… dass ihr gleich gesinnt seid!“ Wusstet ihr, dass alle Christen auf der ganzen Welt, von welchem Volk oder von welcher Nation oder welcher Sprache auch immer, ein und dasselbe Denken haben sollen? Das kann man Gleichschaltung nennen, aber wirklich im guten Sinn!
Wir sollen nicht „irgendeines Sinnes“ sein, sondern wir sollen so denken, wie Christus gedachte hat. Das gilt nicht nur für Älteste oder Missionare – das Wort bzw. so eine spezielle Personengruppe gibt es gar nicht in der Bibel; das gilt für jeden Christ. Wir sollen Christus gemäß denken und seine Gesinnung in uns haben. „… so erfüllt meine Freude.“ Das wünschte sich Paulus in den Gläubigen zu sehen.
Den Galatern sagte er einmal so schön: „Meine lieben Galater,“ (ich sage es mit meinen eigenen Worten,) „um die ich noch einmal Geburtswehen leide, bis ihr alle getauft seid und regelmäßig mit der Bibel unter dem Arm sonntags in die Versammlung kommt?“ – Nein, er sagt: „… bis Christus in euch Gestalt gewinnt!“ Darum geht es, dass Christus in uns, in jedem Bruder und jeder Schwester, Gestalt gewinnt, und dass wir gleich denken, nämlich göttlich und wie Christus.
In Vers 2 wünscht er: „… dieselbe Liebe habend, einmütig, eines Sinnes.“ Und dann sagt er, was wir nicht tun sollen, nämlich alle die Wesenszüge, die in uns, in unserer alten Natur, enthalten sind:
«… nichts aus Streitsucht oder eitlem Ruhm tuend, sondern in der Demut einer den anderen höher achtend als sich selbst; ein jeder nicht auf das Seine sehend, sondern ein jeder auch auf das der anderen.»
Wie wäre es, wenn wir diesen Text alle beherzigen würden? Ich kenne euch nicht, aber ich muss kein Prophet sein, um zu wissen, dass es überall Spannungen gibt. Der kann ich mit dem usw. Wenn jeder von uns diese Ermahnung beherzigen würde, wäre das wirklich der Himmel auf Erden. Wenn niemand etwas aus Selbstsucht tut, wenn jeder von uns den anderen höher achtet als sich selbst und wir nicht auf das Unsrige achten, sondern auf das des anderen!
So sollen Christen miteinander in Demut leben, dass jeder nicht auf das Seine, sondern jeder auf das des anderen schaut.
Es geht hier um Christus und sein Vorbild. ich möchte euch drei Beispiele aus dem Leben Jesu geben, bei denen man sieht, wie er nicht auf das Seine geschaut hat, sondern auf das der anderen. Alle drei Begebenheiten beeindrucken mich sehr.
Es steckt ja so in uns drin – das kenne ich genauso wie ihr: Wenn es uns gut geht, wenn wir uns wohl fühlen und alles scheinbar unter Kontrolle haben, dann haben wir meistens noch ein bisschen überschüssige Energie, um uns natürlicherweise um andere zu kümmern.
Als der Herr Jesus die Nachricht bekam, dass Johannes der Täufer geköpft worden war[2], sagte er zu seinen Jüngern: „Lasst uns an einen einsamen Ort gehen.“ Wir lesen in der Schrift, dass in den Augen des Herrn der Tod seiner Getreuen kostbar ist[3]. Der Herr hat, denke ich, Schmerz empfunden und wollte mit seinem Gott und Vater darüber im Gebet reden; einer der größten Propheten, der sein Wegbereiter gewesen war, hatte seinen Kopf verloren. Ihm war bewusst, dass auf ihn das gleiche wartete – der Tod von der Hand der Menschen. In dieser Welt werden die gehasst, die Gott lieben. Darum wollte er einen einsamen Ort aufsuchen. So sind sie ins Boot gestiegen. Das hat aber die Volksmenge mitbekommen, und die Leute sind – während der Herr auf dem See unterwegs war – mit allen ihren Nöten vorausgegangen, unter ihnen viele Kranke. Als sie auf der anderen Seite an Land kommen, ist bereits eine große Volksmenge da. Es gab keine Gelegenheit für den Herrn, allein zu sein. Der Schmerz war immer noch im Herzen. Aber er hat nicht gesagt: „Jetzt lasst mich mal alle in Ruhe; ich möchte allein sein mit meinem Gott.“ Nein, er hat sich über sie erbarmt, hat die Kranken geheilt und gespeist. Am Ende hat er seine Jünger noch versorgt und ihnen gesagt, sie könnten schon zurückfahren. In der Nacht war er schließlich allein im Gebet mit seinem Gott.
So hat er zuerst die bedürftigen Menschen im Blick gehabt; er war für die verlorenen Schafe des Hauses Israels gekommen, hat sie erst versorgt, obwohl der Schmerz in seinem Herzen und der Wunsch nach Alleinsein groß war. Er hat seine Bedürfnisse zurückgestellt. Aber er hat sich dann in der Nacht die Zeit genommen und war allein.
«… ein jeder nicht auf das Seine sehend, sondern ein jeder auch auf das der anderen.»
Diese Haltung hat der Herr Jesus im Grunde durch sein ganzes Leben bewiesen, und sie wird in einem weiteren Beispiel[4] deutlich sichtbar, wo er sich vor seine Jünger stellt. In der Nacht seiner Gefangennahme fragte er: „Wen sucht ihr?“ Auf ihre Antwort hin hatte er gesagt: „Ich bin es.“ Da sind alle hingefallen; aber dann sagte er: „Wenn ihr nur mich sucht, dann lasst doch diese gehen.“ Wo gibt es denn so etwas in der Welt? Stellen wir uns den Führer einer Gruppe im Moment der größten Not vor, wenn es wirklich hart auf hart kommt und er dem Tod ins Auge sieht. Würde es nicht natürlicherweise zu erwarten sein, dass er zu seinen Mitstreitern sagt: „Ich habe euch nun bereits drei Jahre lang geholfen und euch gelehrt; jetzt unterstützt mich auch. Stehen wir das Ganze gemeinsam durch.“ Aber er ist den Weg ganz allein gegangen und hat gesagt: „Lasst diese gehen.“ Johannes schreibt dazu in seinem Evangelium (18,9):
«… damit das Wort erfüllt würde, das er sprach: Von denen, die du mir gegeben hast, habe ich keinen verloren.»
Er hat sie bewahrt. Er wusste, dass sie es sowieso nicht durchstehen würden, und er gesagt: „Nehmt mich, und lasst diese gehen.“ Auch in dieser Situation hat er nicht auf das seine geschaut, sondern das Wohl seiner Jünger im Blick gehabt.
Als er am Kreuz hing, kümmerte er sich noch um seine Mutter. Der Herr hing am Kreuz und erlitt Todesqualen; da sieht er seine Mutter mit Johannes dastehen, und er sagt zu ihm: „Das ist deine Mutter, bitte kümmere dich um sie.“ Und zu ihr sagte er: „Siehe, das ist dein Sohn. Der wird sich um dich kümmern.“
Wir nehmen uns oft so wichtig, sind in unserer kleinen Welt und drehen uns nur um uns selbst. Wie weit sind wir oft entfernt von dem Sinn Jesu Christi! Wir brauchen auch alle Zeiten der Einsamkeit vor Gott; der Herr hat sie sich auch genommen. Trotzdem sollen wir nicht nur unsere kleine Welt sehen, sondern auch den Blick für die Bedürfnisse von anderen haben.
«… ein jeder nicht auf das Seine sehend, sondern ein jeder auch auf das der anderen.»
Darum steht hier deutlich, was Paulus in allen Briefen betonte: Christus ist unser Vorbild. Das gilt für die Ehe, für den Arbeitnehmer oder den Arbeitgeber. Es ist immer Christus, und das ist alles, was wir brauchen. Ob als Mann oder als Frau, ob Familienvater oder Mutter von Kindern – wir alle brauchen den Blick auf Christus und die Gesinnung Jesu Christi.
Wir denken manchmal, dass sich die Situation um uns herum ändern müsste, damit die Dinge gut werden. In Wirklichkeit muss sich nur unsere Gesinnung ändern, und die Umstände geraten ein anderes Licht. Paulus sagt es ganz klar: „Denn ihr sollt so gesinnt sein, wie es Jesus Christus auch war. Ihr sollt die innere Haltung haben, die er hatte!“ So schrieb er weiter (Verse 5 bis 8):
«Denn diese Gesinnung sei in euch, die auch in Christus Jesus war, der, da er in Gestalt Gottes war, es nicht für einen Raub achtete, Gott gleich zu sein, sondern sich selbst zu nichts machte und Knechtsgestalt annahm, indem er in Gleichheit der Menschen geworden ist, und, in seiner Gestalt wie ein Mensch erfunden, sich selbst erniedrigte, indem er gehorsam wurde bis zum Tod, ja, zum Tod am Kreuz.»
Das Stichwort, das wir hier nennen können, ist Verzicht. Keiner von uns ist in der Lage, zu verstehen und in Worten zu beschreiben, was das insgesamt bedeutet hat, was der Sohn Gottes wegen uns zurückgelassen hat, als er in diese Welt kam. Aber es war Verzicht, und zwar in einem unendlich großen Maß. Er war im Himmel mit seinem Gott und Vater in perfekter Gemeinschaft und Glückseligkeit. Ihm fehlt nichts, und es war wunderbar. Aber er hat es zurückgelassen und es nicht festgehalten als etwas, was er nie aufgeben würde wie einen Raub. Im Spanischen gibt es einen schönen Ausdruck „abrir la man“, d.h. die Hand auftun, und bedeutet so viel wie etwas loslassen, auf etwas verzichten.
Meine Frage an jeden von euch ist folgende: Hat dieses Wort „Verzicht“ in eurer Lebensprogrammierung oder eurem Lebensplan auch einen Platz? Dieser Welt ist es völlig fremd, dass jemand an Verzicht denkt. Sind wir bereit, um der Sache Gottes willen auf etwas, z.B. auf Vorrechte, zu verzichten? Christus hat verzichtet, als er als Mensch in diese Welt kam. Auf einmal kannte er Müdigkeit – und manchmal erscheint es mir unbegreiflich, dass er, der die Weisheit in Person, der der Schöpfer war, soviel Geduld mit seinen Jüngern hatte, die zum großen Teil überhaupt nicht verstanden, was er ihnen sagte.
Die hielten sich aber für recht und haben Fragen gestellt und diskutiert; doch er hat es ertragen, hat sie geliebt, stellte sich an ihre Seite.
«… sondern sich selbst zu nichts machte und Knechtsgestalt annahm, indem er in Gleichheit der Menschen geworden ist, und, in seiner Gestalt wie ein Mensch erfunden …» (Vers 7).
Er verzichtete und wurde zum Diener, zuerst ein Knecht Gottes, dann aber auch der Menschen. Er kam nicht in diese Welt, um seinen Willen zu tun, sondern den Willen seines Gottes und Vaters. Er hat seinen Mitmenschen gedient.
«… so wie der Sohn des Menschen nicht gekommen ist, um bedient zu werden, sondern um zu dienen und sein Leben zu geben als Lösegeld für viele.»[5]
Ich frage mich, ich frage euch: Denke ich, andere müssten mir dienen? Der Herr hat den Dienst anderer angenommen; so gab es einige Frauen, die ihm geholfen haben und mit ihrem Besitz dienten. Aber über seinem ganzen Leben stand der Dienst: Gott zu dienen, und den Menschen zu dienen.
Er kam als Knecht. Es ist so wichtig zu verstehen, dass wir Knechte Gottes sind. Hier steht das Wort „Sklave“. Wir sind „Sklaven Jesu Christi“. Häufig ist das Wort „Sklave“ negativ belegt, aber die entscheidende Frage ist, wessen Sklave man ist.
Es gibt ein wunderschönes Vorbild im Alten Testament[6]: Wenn ein Hebräer sich als Knecht verkauft hat, und seinem Herrn diente – und dieser Herr hat ihm vielleicht eine Frau gegeben und sie haben Kinder bekommen –, dann konnte dieser hebräische Knecht entweder nach einer gewissen Zeit, die im Gesetz festgelegt war, frei ausgehen. Er konnte aber auch sagen: „Nein! Ich liebe meinen Herrn; es geht mir hier gut, und ich will nicht frei ausgehen.“ In diesem Fall sollte diesem Knecht das Ohr durchbohrt werden. Damit wurde sichtbar, dass er für immer seinem Herrn dienen würde.
Mir geht es genauso; ich bin von Herzen gerne ein Sklave Jesu Christi, ich will nicht frei ausgehen. Ich danke ihm für sein Wort und für den Frieden, den er gibt, für die Vergebung meiner Sünden. So sollten wir uns aber sehen: Als Diener Gottes. Wenn wir Diener Gottes sind, dann werden wir automatisch auch Diener unserer Mitmenschen.
«… indem er in Gleichheit der Menschen geworden ist.» (Vers 7)
Was das für ein Abstieg war, können wir uns nicht vorstellen. Er ist Mensch geworden, hatte Hunger und Durst, ihm war kalt oder warm, er war müde. Er war Mensch.
«und, in seiner Gestalt wie ein Mensch erfunden, sich selbst erniedrigte.» (Verse 7-8)
Das ist ein Prinzip, das wir in der Bibel finden, dass Gott denjenigen erhöht, der sich selbst erniedrigt, der bereit ist, aus eigenen Stücken den niedrigeren Weg zu gehen. Wenn man zum Beispiel zwei Optionen hat, wovon die eine nicht so gerne gemacht wird … es gibt Dinge in dieser Welt, die dem Anschein nach hoch angesehen sind; das kann auch der Dienst am Reich Gottes sein, wenn man im Rampenlicht steht. Es gibt aber auch andere Dinge, die scheinbar niemand mitbekommt. Man sollte sich nicht zu fein sein, den niedrigsten Dienst zu tun und sich selbst zu erniedrigen, ob man nun hochqualifiziert ist oder nicht, was auch immer das bedeuten soll.
Der Herr hat uns das vorgelebt, indem er sich selbst erniedrigt hat, und darin, wie er sich von Menschen behandeln ließ, denen allen er so haushoch überlegen war. Stellen wir uns allein das mal vor, wie er sich behandeln ließ, und wie er zu manchem geschwiegen hat und für die Verbrecher noch Fürbitte tat. Das alles soll uns Mut machen und soll auf uns abfärben, damit auch wir bereit sind, uns selbst zu erniedrigen und es zu ertragen, wenn uns jemand verächtlich behandelt und vielleicht nicht alles weiß, was wir können.
Gott erhöht die, die sich selbst erniedrigen, und er erniedrigt die, die sich selbst erhöhen. Das ist ein Prinzip, und es ist bei seinem Sohn nicht anders gewesen. Dann lesen wir weiter:
«… sich selbst erniedrigte, indem er gehorsam wurde bis zum Tod, ja, zum Tod am Kreuz.»
Ich habe viel darüber nachgedacht in meinem Leben. Im Hebräerbrief steht, dass er an dem, was er litt, den Gehorsam gelernt hat[7]. Ich weiß nicht, ob ich ganz richtig liege, aber ich verstehe es folgendermaßen: Der Sohn Gottes war Werkmeister bei der Schöpfung. Ich bin überzeugt, dass der Sohn Gottes immer den Willen Gottes seines Gottes und Vaters getan hat. Im Himmel folgen alle dem Willen Gottes. Deswegen hatte der Herr seinen Jüngern beigebracht, dass sie beten sollten:
«… dein Wille geschehe, wie im Himmel, so auch auf der Erde.»[8]
Auf der Erde ist es nicht so; hier folgt nicht alles dem Willen Gottes. In der Gemeinschaft mit Gott im Himmel, in der Gegenwart Gottes, da hat es für den Sohn Gottes nie Leid bedeutet, den Willen Gottes zu tun. Aber als er in diese Welt kam und hier den Willen Gottes tat, brachte ihm das Anfeindungen und Hass ein; die Menschen haben ihn ohne Ursache gehasst, wollten ihn töten, ihn umbringen, waren neidisch auf ihn. Er tat aber nur den Willen Gottes.
Aber ich denke, es war eine ganz neue Dimension, als er Mensch wurde; darum hat er – so verstehe ich das – gelernt, Mensch zu sein, und deswegen kann er uns auch sehr gut verstehen. Er ist ein barmherziger und treuer Hohepriester, der weiß, was es bedeutet, hier in dieser Welt, die im Bösen liegt, den Willen Gottes zu tun.
Das ist auch ein wichtiger Punkt: Man muss sich keine großen Aufkleber an das Auto machen oder mit „Jesus“-T-Shirts herumrennen, um gehasst zu werden. Nein, man muss nur den Willen Gottes tun, dann wird man automatisch gehasst. Es kommt dann zu Reibereien, und man verurteilt automatisch die Welt, wenn man bei manchen Dingen nicht mitmacht. Dadurch versteht man etwas von diesem Anstoß.
«… indem er gehorsam wurde bis zum Tod.»
Das beinhaltet noch mehr: „Er wurde gehorsam bis zum Tod.“ Das kann man so verstehen: Alle Tage seines Lebens bis zum Tod war er Gott gehorsam. Dann war er Gott gehorsam in Bezug auf den Tod, den Gott für ihn bestimmt hatte, und in Bezug auf den Zeitpunkt seines Todes. Die Art und Weise und der Zeitpunkt seines Todes waren von seinem Gott und Vater bestimmt. So ist das auch in Bezug auf uns alle wahr.
«… indem er gehorsam wurde bis zum Tod, ja, zum Tod am Kreuz.»
„… er wurde gehorsam bis zu seinem Tod an einem Kreuz.“ Er ist den Weg gegangen, den Gott für ihn vorgesehen hatte.
Verzicht, Dienst, Selbsterniedrigung, Gehorsam: Das steckt in diesem Text über die Gesinnung Jesu Christi. Diese Gesinnung soll in jedem Christ sein.
Dann kommt in Vers 9 dieses wunderschöne „darum“:
«… 9 Darum hat Gott ihn auch hoch erhoben und ihm den Namen gegeben, der über jeden Namen ist, 10 damit in dem Namen Jesu jedes Knie sich beuge, der Himmlischen und Irdischen und Unterirdischen, 11 und jede Zunge bekenne, dass Jesus Christus Herr ist, zur Verherrlichung Gottes, des Vaters.» (Verse 9-11)
Auch Mohammed muss einmal seine Knie vor dem Herrn Jesus beugen. Alle, auch die größten und bekanntesten Menschen auf dieser Welt, müssen einmal ihre Knie vor ihm beugen. Wir beugen jetzt schon unsere Knie vor ihm, aber wir dürfen auch wissen: Wenn wir dieser Spur des Herrn Jesus folgen und in seiner Gesinnung leben, Verzicht um seinetwillen üben, Gott und den Menschen dienen und uns selbst erniedrigen und Gott gehorsam sind, dann wird Gott, der Vater, auch uns ehren. Denn Gott hat gesagt:
«Denn die, die mich ehren, werde ich ehren, und die, die mich verachten, werden geringgeachtet werden.»[9]
Und der Herr Jesus hat gesagt.
«Wenn mir jemand dient, so folge er mir nach; und wo ich bin, da wird auch mein Diener sein. Wenn jemand mir dient, so wird der Vater ihn ehren.»[10]
Diese Ehre, die von Gott kommt, sollen wir suchen. Wir sollen nicht die Ehre von Menschen suchen, aber die Ehre, die von Gott kommt. Ja, ich will sie alle Tage meines Lebens suchen. Da sollen wir keine falsche Bescheidenheit haben! Der Weg zu dieser Ehre von Gott ist ein Weg der Demut und der Selbsterniedrigung, des Dienstes und des Verzichts in der Gesinnung Jesu Christi.
«12 Daher, meine Geliebten, wie ihr allezeit gehorsam gewesen seid, nicht allein als in meiner Anwesenheit, sondern jetzt viel mehr in meiner Abwesenheit, bewirkt euer eigenes Heil mit Furcht und Zittern; 13 denn Gott ist es, der in euch wirkt sowohl das Wollen als auch das Wirken, zu seinem Wohlgefallen.
14 Tut alles ohne Murren und zweifelnde Überlegungen, 15 damit ihr untadelig und lauter seid, unbescholtene Kinder Gottes inmitten eines verdrehten und verkehrten Geschlechts, unter dem ihr scheint wie Lichter in [der] Welt, 16 darstellend [das] Wort [des] Lebens, mir zum Ruhm auf [den] Tag Christi, dass ich nicht vergeblich gelaufen bin noch auch vergeblich gearbeitet habe.» (Verse 12-16)
Die Verse 12 bis 16 sind eine Schlussfolgerung, die sich aus dem Vorbild Christi ergibt. Paulus appelliert an die Philipper und sagt: „Darum, meine geliebten Geschwister, weil das so ist, weil Christus sich so erniedrigt und Gott ihn so hoch erhöht hat, darum wirkt und arbeitet weiter. Ihr seid alle Zeit gehorsam gewesen!“ Was für eine Feststellung des Paulus über die Philipper! Ihr müsst euch mal vorstellen, dass Paulus im Auftrag Jesu Christi zu verschiedenen Menschen gekommen ist. Er hat nicht seine eigenen Gedanken weitergegeben, sondern die Gebote Jesu Christi. Es ist ganz wichtig, das zu verstehen, denn in unserer heutigen Zeit ist das irgendwie so hart umkämpft. Viele haben etwas gegen Paulus. Aber wer ein Problem mit Paulus hat, der hat ein Problem mit Jesus Christus, denn Gott hat Paulus zum Lehrer der Heiden im Glauben und in der Wahrheit bestimmt. Wer sich gegen Paulus auflehnt, lehnt sich gegen Christus auf. Paulus hat nicht irgendetwas gesagt, nicht seine eigenen Worte weitergegeben, sondern die Gebote Jesu Christi verkündigt, zum Beispiel über die Ehe, über die Arbeit, über den Umgang mit den Kindern, über alles, was unser Leben betrifft.
Das lesen wir in den Schriften des Neuen Testaments. Und jetzt sagt Paulus zu seinen geliebten Geschwistern in Philippi, von seiner Liebe zu ihnen getrieben, dass sie alle Zeit gehorsam gewesen seien. Stellt euch das vor: Er ist nach Philippi gekommen, und Lydia wurde gläubig, daraufhin noch andere Gläubige, und sie waren gehorsam gegenüber dem, was Paulus ihnen im Namen Gottes sagte. Sie haben es in ihrem Leben umgesetzt. Da gab es eine Veränderung. Dann sagt er:
«… nicht allein als in meiner Anwesenheit, sondern jetzt viel mehr in meiner Abwesenheit, bewirkt euer eigenes Heil mit Furcht und Zittern; 13 denn Gott ist es, der in euch wirkt sowohl das Wollen als auch das Wirken, zu seinem Wohlgefallen.» (Verse 12-13)
Ich habe nicht völliges Licht über diesen Vers, und ich kann euch nicht sagen, was das jetzt ganz genau bedeutet. Aber bei diesem Ausdruck „mit Furcht und Zittern“ frage ich mich, frage ich euch: Kennen wir das? Haben wir schon mal vor Gott gezittert? Ich lese mal dazu aus Jesaja 66 die ersten beiden Verse. Und zwar spricht hier Gott selbst:
«1 So spricht der HERR: Der Himmel ist mein Thron, und die Erde der Schemel meiner Füße. Wo ist das Haus, das ihr mir bauen könntet, und wo der Ort zu meiner Ruhestätte? 2 Hat doch meine Hand dies alles gemacht, und dies alles ist geworden, spricht der HERR. Aber auf diesen will ich blicken: auf den Elenden und den, der zerschlagenen Geistes ist und der da zittert vor meinem Wort.» (Jesaja 66,1-2)
Es geht um Furcht und Zittern vor Gott. Die Philipper sollten weiter gehorsam sein, und dann kommt dieser Gedanke der Errettung. In der Bibel finden wir nicht nur die ewige Rettung vor dem Gericht der Hölle, sondern auch Rettung aus schwierigen Lebenslagen und Bedrängnis. In diesem Sinn und in dieser Richtung verstehe ich diesen Vers 12. Darauf folgt der Vers 13, und hier, denke ich, ein Zusammenhang deutlich:
«… 13 denn Gott ist es, der in euch wirkt sowohl das Wollen als auch das Wirken, zu seinem Wohlgefallen.»
Dann geht es weiter in Vers 14:
«14 Tut alles ohne Murren und zweifelnde Überlegungen …» (Vers 14)
Wir wissen, dass letztlich Gottes Geistes es ist, der in uns das Gute wirkt, und dass so Gott in uns wirkt. Ein Bruder hat es vorhin aus dem Epheserbrief vorgelesen:
«… 19 und welches die überragende Größe seiner Kraft an uns, den Glaubenden, nach der Wirksamkeit der Macht seiner Stärke, 20 in der er gewirkt hat in dem Christus.»[11]
Mir hat das damals so Mut gemacht, als ich das zum ersten Mal wirklich aufmerksam gelesenen habe: Gott wirkt durch seinen Geist in den Christen. Der Geist kann in uns Dinge tun, die wir uns nicht ausdenken können; er kann uns verändern und die Frucht seines Geistes in uns wachsen lassen, und uns segnen, so dass Ströme lebendigen Wassers aus uns fließen. Es ist seine Kraft, mit der er in den Gläubigen das Gute wirkt.
Aber ich denke manchmal, dass es sich damit wie mit einem Vater und seinem Sohn verhält: Wenn man ein Kind hat, das immer nur murrt und bei allem, was man ihm sagt, immer nur antwortet: „Warum eigentlich? Und ich verstehe das nicht! Und will ich auch nicht, denn mir ist gerade nicht danach …“ usw. Das macht einen noch müde, das ist doch etwas Trauriges, etwas Hässliches. Und irgendwie bewirkt es, dass das Herz des Vaters von diesem Kind etwas Abstand nimmt, dass man manches Gute vielleicht nicht mehr so freudig gibt und tut wie bei einem Kind, was sagt: „Ja, ich gehe, ich mache das.“
Ich verstehe diese Verse in diesem Sinn, dass nämlich Gott es ist, der in uns das Wollen und Tun vollbringt. Aber wenn er in uns so einen mürrischen Geist sieht, wenn bei uns keine Bereitschaft Gott gegenüber da ist und kein wirklich freudiges, gehorsames Befolgen von dem, was er uns sagt, dann schließen wir selbst uns von manchem Segen aus, den er eigentlich durch seinen Geist in uns wirken möchte. Wir brauchen diese lautere Gesinnung Gott gegenüber, die Einfalt Christus gegenüber; und ich bin überzeugt, dass Gott da, wo er das sieht, Großes durch seinen Geist in den Gläubigen wirken kann.
Mit diesem Vers 14 verbinde ich eine Erinnerung. Die Gläubigen hängen oft Bibelverse an die Wände ihrer Häuser. Es steht geschrieben, dass man das Wort Gottes auf die Pfosten seines Hauses schreiben soll. Oder man hängt christliche Kalender mit Versen auf. Die Gefahr dabei ist, dass manchmal ein Vers völlig aus dem Zusammenhang herausgerissen wird. Und einmal sah ich bei jemanden auf einem Kalender einfach nur folgendes stehen: „Tut alles ohne Murren und Bedenken.“ Ich dachte: Wenn man das jetzt so liest, könnte man meinen, das sei positives Denken. So in dem Sinn von: Egal, was du tust, tue alles ohne Murren und Bedenken.
Wehe uns, wenn wir alles in unserem Leben ohne Bedenken tun! Das würde voll gegen den Baum gehen, wenn wir nicht mehr überlegen, was wir tun. Das darf man nicht so verstehen, dass wir alles, was wir jetzt in unserem Leben tun, ohne Murren und Bedenken tun sollten. Im Zusammenhang des gesamten Textes geht es um den Gehorsam Gott gegenüber. Christus war Gott gehorsam; Paulus sagt zu den Philippern, dass sie alle Zeit gehorsam waren gegenüber dem, was er ihnen im Auftrag Gottes gesagt hatte. Und wenn dann die Aufforderung komm: „Tut alles ohne Murren und Bedenken“, dann geht es nämlich um alles, was uns von Gott aufgetragen wurde. Das sollen wir ohne Murren und Bedenken tun. Da sollen wir gerne und freudig ja sagen, auch wenn wir nicht alles bis ins Letzte verstehen.
«Du hast deine Vorschriften geboten, damit sie fleißig beachtet werden.»[12]
Es geht darum, dass wir gegenüber Gott diese Haltung haben, dass wir nicht murren und sagen: „Das gefällt mir nicht, das passt jetzt nicht rein …“ Nein, unsere Antwort soll sein: „So steht es geschrieben, es ist dein Wille, und ich will es gerne tun, ohne Bedenken.“
Die Folge davon, wenn wir das tun, steht im folgenden Vers:
14 Tut alles ohne Murren und zweifelnde Überlegungen, 15 damit ihr untadelig und lauter seid, unbescholtene Kinder Gottes …» (Verse 14-15)
Sind wir untadelige und unbescholtene Kinder Gottes? Es gibt auch Kinder Gottes, die er tadeln muss, die nicht unbescholten sind, weil sie murren und Bedenken haben, und die, die nicht gehorsam sein wollen. Aber wenn wir das tun, was Gott uns aufträgt – und das ist wirklich wichtig; hier geht es um Gottes Worte; es geht nicht darum, dass irgendwelche Menschen Autorität über uns gewinnen, sondern um die Autorität des Neuen Testaments, ja der ganzen Bibel und um das, was sie lehrt – was Gott uns aufträgt, das sollen wir ohne Murren und Bedenken tun. Und wenn wir nicht nur schöne Vorsätze fassen, sondern es wirklich in die Tat umsetzen, dann sind wir …
«… untadelig und lauter …, unbescholtene Kinder Gottes inmitten eines verdrehten und verkehrten Geschlechts, unter dem ihr scheint wie Lichter in der Welt, darstellend das Wort des Lebens.» (Verse 15-16)
Das ist der Zusammenhang dieses Textes.
Ich kann euch sagen: Für mich persönlich ist das Mahl des Herrn die kostbarste Zeit des Lebens; ich empfinde es für mich immer wieder beschämend heilsam. Diese beiden Worte „beschämend“ und „heilsam“ passen gut.
Ich kann euch ein Beispiel erzählen. Ich habe das so allein im Dorf sehr lange Zeit nicht gehabt. Aber jetzt haben wir zu dritt – Paco, Jairo und ich – schon einmal gemeinsam das Mahl des Herrn gefeiert. Ich möchte versuchen, dass wir das regelmäßig machen. Schon lange Zeit halte ich mich im Dorf auf und diene den Menschen. Ich erwarte keinen Dank von den Dorfbewohnern, aber manchmal regt sich doch etwas im Herz, wenn gar nichts von ihnen zurückkommt und sie sich sogar noch beschweren, und der Gedanke kommt: „Mensch, Markus, die müssten sich doch eigentlich bei dir bedanken!“ Das ist so eine kleine Stimme, ganz hinten. Ich war damals recht müde; und dann kam ich zum ersten Mal nach Bolivien, weil ich wegen dem Visum das Land verlassen musste. Dort besuchte ich eine kleine christliche Gemeinschaft und wir haben das Mahl des Herrn gefeiert. Da war ich auf einmal so beschämt, und es war alles wieder gut. Ich musste nur auf Jesus schauen, dann war alles wieder gut. Auf einmal war alles nicht mehr so schwer.
Das meine ich damit: Der Blick auf Jesus Christus, unseren Herrn, ist für uns manchmal beschämend, weil wir wieder merken, wie wir uns zu wieder einmal zu wichtig genommen, obwohl wir keinen Grund dazu haben. Wir sind nur begnadigte Sünder; wir tun aus Dankbarkeit unserem Herrn gegenüber, was wir zu tun schuldig sind. Wir sind nicht großartig, und wir sind nicht wichtig, aber dennoch halten wir uns – vielleicht unbewusst – für wichtig. Wenn wir dann auf den Herrn schauen, auf den Sohn Gottes, und sehen, was er für uns getan hat, wird alles wieder gut.
Es ist aber auch heilsam, weil es in mir den Wunsch weckt und mir auch wieder neue Kraft gibt, seinem Vorbild zu folgen. Die Umstände haben sich nicht geändert, auch die Menschen um mich herum haben sich nicht geändert, aber in meiner Haltung und in meiner Gesinnung hat sich etwas geändert, was sehr heilsam ist. Deswegen ist es so wichtig, dass wir auf ihn schauen, denn das bewirkt bei uns Veränderung. So werden wir vom Geist des Herrn verwandelt, wenn wir auf ihn schauen.[13]
Das ist ein wichtiger Punkt, denn es ist eine hässliche Sache, wenn wir von Jesus Christus reden und uns mit unseren Worten an ihm erfreuen, wenn dabei aber nichts von ihm und seinem Wesen sichtbar wird. Das wirkt abstoßend, und das ist ungesund. Aber wir sollen darum bitten und wirklich danach streben, ihn mehr zu sehen und immer besser zu kennen. Wir sollen bitten: „Herr, bitte erfülle mich mit deinem Geist und gib mir Kraft; ich will diese Haltung haben!“
Ich erzähle euch zum Schluss noch ein Beispiel, das mich so ermutigt hat; ein brasilianischer Bruder hat mir das erzählt. Er kam aus der Großstadt Sao Paulo nach Acre, in ein ganz entlegenes Gebiet, um das Evangelium weiterzugeben. Eins seiner Kinder ist im Fluss ertrunken; er hat viele Opfer gebracht. Der Bundesstaat heißt Acre, was übersetzt „derb“ oder „schroff“ oder „bitter“ bedeutet. Damals war das Leben noch so; es gab noch keine Straße, und alles war sehr einfach und das Leben dort sehr hart. Er war zur Evangelisierung gekommen. Die Brasilianer leben alle sehr eng miteinander. Er war in seinem Stadtteil bekannt, und viele haben seinen Rat gesucht, besonders die Mütter. Es sind meistens die Mütter, die reagieren, wenn die Kinder ausbrechen. Dann versuchen sie alles und kommen zu anderen wie diesem brasilianischen Bruder. Den bitten sie, ob er nicht einmal mit ihrer Tochter reden könnte. Da war eine Frau, deren Tochter auf schlechte Wege geraten war. Sie hat ihn gerufen, und er hat ihr manchmal von der Bibel her seinen Rat gegeben, hat auch mit der Tochter gesprochen. Bei einem Besuch sträubte sich die Tochter sehr gegen das Gespräch, denn sie konnte es nicht aushalten, was er gesagt hatte, obwohl es nur gut gemeint war. Die Mutter saß auch mit dabei. Da ist der Tochter so richtig die Hutschnur gerissen, und sie ist mit allem herausgeplatzt und hat ihn so richtig vor der Mutter angegangen. Sie hat den Diener Gottes fertig gemacht und mit den schlimmsten Wörtern belegt. Der Mutter war das so schlimm, und sie wollte ihrer Tochter Einhalt gebieten. Sie sagte zu ihr: „Das ist doch ein Mann Gottes, zu ihm kannst du doch nicht in dieser Weise reden!“ Er war schon ein älterer Mann. Doch er hat die nur beruhigt und gesagt: „Nein, lass sie nur! Mein Herr wurde auch beschimpft; ich will es gerne ertragen.“
Das ist doch beeindruckend und entspricht dem Charakter Christi, wenn man sich verächtlich behandeln lässt, obwohl man völlig demjenigen, der das überhaupt nicht versteht, überlegen ist, und das schweigend annehmen zu können. Ich sage nicht, dass das immer so sein muss. Aber wir sollen die Bereitschaft und die Kraft dazu haben; und wir sollten uns sagen: „Mein Herr wurde so behandelt; darum will ich mich auch gerne so behandeln.“
Wollen wir nicht jeder sich selbst prüfen, um zu sehen, inwieweit meine Lebensplanung der Gesinnung Jesu entspricht, und inwieweit diese Dinge wie Verzicht, Selbsterniedrigung, Gehorsam und Dienst bei uns sozusagen auf der Fahne stehen? Wir dürfen es uns noch einmal bewusstmachen: Wenn wir diesem Vorbild unseres Herrn Jesus wirklich folgen und ihm nachfolgen, dann wird Gott uns mit einer ewigen Ehre belohnen. Alle Titel und alle Zahlen und alle Ehre dieser Welt vergehen wie Schall und Rauch. Der Herr Jesus gesagt, dass er nicht Ehre von Menschen nimmt; aber die Ehre von seinem Gott und Vater hat er gesucht und auch bekommen.
Fußnoten:
[1] Apostelgeschichte 16,17; manche Übersetzungen weisen in der Fußnote darauf hin, dass man statt „den Weg des Heils“ auch „einen Weg des Heils“ übersetzen kann.
[2] Siehe Matthäus 14,10-23
[3] Psalm 116,15: «Kostbar ist in den Augen des HERRN der Tod seiner Frommen.»
[4] Siehe Johannes 18,4-8
[5] Matthäus 20,28
[6] Siehe 2. Mose 21,2-6; vgl. auch 3. Mose 25,39-46
[7] Siehe Hebr 5,7-10
[8] Siehe Matthäus 6,10
[9] Siehe 1. Samuel 2,30
[10] Siehe Johannes 12,26
[11] Siehe Epheser 1,19-20
[12] Siehe Psalm 119,4
[13] Siehe 2. Korinther 3,13