Gestern begann die Konsolidierungsphase der Chemotherapie. Dazu gebe ich dir einige Erläuterungen. Und danach, wenn es dich interessiert, teile ich einige Gedanken zum Jahreswechsel unter dem Titel „Still werden vor Gott“.

Liebe Familie und liebe Freunde,

vor wenigen Tagen hat ein neues Jahr begonnen, das Jahr 2022. Gottes Segen und alles Gute im Neuen Jahr! Bei dieser Gelegenheit danke ich euch nochmal von Herzen für eure Gebete im vergangenen Jahr, für Zuschriften, Rückmeldungen, Kommentare oder Anrufe!

Herzliche Grüße
Andreas

Zu meiner persönlichen Situation: Gestern morgen hat die sogenannte Konsolidierungsphase begonnen, die aus zwei Zyklen über jeweils vier Wochen besteht; dabei bekomme ich in den ersten zwei Wochen jeweils dienstags und freitags eine Spritze mit einem Chemo-Mittel, und dazu an diesen Tagen für die Verträglichkeit Cortison-Tabletten. Und ab gestern nehme 21 Tage lang ich ein anderes Chemo-Mittel als tägliche Tablette. In Woche 4 ist Pause. Ab März geht es dann weiter mit der Erhaltungstherapie, bei der ein Chemo-Mittel 14-tägig als Spritze verabreicht wird, dazu monatlich eine Spritze zum Knochenaufbau. Ich werde in einigen Wochen schreiben, wie es mit den Nebenwirkungen und der Verträglichkeit der Therapie aussieht.

Gestern zeigte mir der Arzt auch die Auswertung vom 16. Dezember (kurz nach der zweiten Hochdosis-Therapie und Stammzellen-Retransfusion), was die Krankheitswerte angeht.

  • Das schädliche und krankhafte Protein hatte bei der Erstdiagnose am 15. April 2021 einen Wert von 46,8.
  • Am 8. Sept. 2021, kurz nach der ersten Hochdosis-Therapie, betrug der Wert noch 2,9. Das war schon eine erhebliche Reduktion auf etwas mehr als 6%, und die Ärzte nannten es eine „Sehr-Gute-Teil-Antwort“.
  • Und am 16. Dez. 2021 betrug der Wert nur noch 1,2; das sind 2,5% vom ursprünglichen Wert.

Schon früh zeigte uns der Onkologe eine Grafik, die den Unterschied der Auswertung der Proteine im Blut zwischen normalem Befund und multiplem Myelom zeigt. Der rote „Peak“ (der Ausschlag oben rechts) stellt die Menge an krankhaften Proteinen dar, die Knochen oder Nieren schädigen:

Bei mir sah das am 31. Mai so aus (da war der Wert aufgrund der Therapie schon ziemlich gesunken):

Und hier siehst du den Stand vom 16. Dez. 2021:

Der „Peak“ ist weg; schon bei der letzten Knochenmarks-Probe waren fast keine schädlichen Zellen mehr messbar, wie uns der Onkologe sagte. Da kann ich wieder nur staunen und dankbar sein, wie die Behandlung tatsächlich ihre Wirkung entfaltet hat.

Post-Scriptum

Ab hier findest du einige Gedanken zum Jahreswechsel, die du gerne lesen und kommentieren darfst, falls es dich interessiert.

Still werden vor Gott

«Vertraue still dem HERRN und harre auf ihn!» (Psalm 37,7)

«Denn so spricht der Herr, HERR, der Heilige Israels: Durch Umkehr und durch Ruhe würdet ihr gerettet werden; im Stillsein und im Vertrauen würde eure Stärke sein.» (Jesaja 30,15)

 «Nur auf Gott vertraue still meine Seele, denn von ihm kommt meine Erwartung.» (Psalm 62,6)

Meine Frau und ich sind am Silvesterabend nicht bis Mitternacht aufgeblieben, weil wir ziemlich müde waren. Dennoch bin ich um Mitternacht wegen dem Krachen der Böller und dem Silvesterfeuerwerk und wegen der anhaltend läutenden Kirchenglocken aufgewacht.

Wir haben alle den Wunsch, dass es uns im neuen Jahr besser ergeht, dass Einschränkungen gelockert und Reisen leichter möglich werden, dass wir vieles Schöne erleben und einander wieder näherkommen (können). Darum ist es verständlich, dass viele den Übergang ins neue Jahr in dieser Erwartung mit Partys, mit Feuerwerk und mit einem Glas Sekt bejubeln und feiern.

Persönlich habe ich mich aber gefragt: Wenn so viele Probleme und Fragen ungelöst bleiben, wie hoffnungsvoll sieht dann die Zukunft aus? Und wir kennen oder wissen von Menschen, die auf Intensivstationen nach Atemluft und um ihr Leben ringen; meine Mutter muss die Tage seit Weihnachten isoliert im Seniorenheim verbringen; viele ältere Menschen leben (oder sterben) in Einsamkeit. Andere sind in ihrer wirtschaftlichen Existenz gefährdet, Beratungsstellen für psychische Probleme können sich vor Anfragen nicht mehr retten, und es scheint, dass die Gesellschaft immer mehr gespalten und von Angst und sozialem Druck getrieben wird.

Wir haben eine Zeitschrift abonniert, die regelmäßig das aktuelle Zeitgeschehen und dessen Hintergründe analysiert und aus christlicher Sicht beleuchtet. Ein Artikel beschreibt die beunruhigenden Veränderungen in Politik und Gesellschaft und stellt dann die Frage[i]:

Was kann man tun? Zunächst sollte man als Christ aufhören, sich zu wundern, dass man in einer antichristlichen Zeit «nicht mehr dazugehört», denn wir sind aus dieser Welt «Herausgerufene». Für Christen früherer Generationen war das eine Selbstverständlichkeit. Und auch, dass Unrecht erleiden besser ist, als Unrecht tun. Mit Bezug auf Sokrates weist der christliche Philosoph Daniel von Wachter auf dieses Prinzip hin, das auch ein biblisches Prinzip ist. …

Von größter Wichtigkeit ist es, dem Lärm der Nachrichten, der verordneten Unruhe und Angst das schiere Gegenteil entgegenzusetzen – Stille bei Gott. Psalm 37, der so machtvoll in diese Zeit spricht, sagt: «Sei stille dem HERRN und warte auf ihn.» Gott wird tun, was unsere Macht übersteigt. Er wird handeln und dem Bösen ein Ende setzen: «Noch eine kleine Zeit, so ist der Gottlose nicht mehr da; und wenn du nach seiner Stätte siehst, ist er weg.» Der Heilige Israels (Jes. 30,15) mahnte sein Volk: «Wenn ihr umkehrtet und stille bliebet, so würde euch geholfen; durch Stillesein und Vertrauen würdet ihr stark sein.» Wir dürfen durch Gottes Geist unserer Seele Kommando geben: «Aber sei nur stille zu Gott, meine Seele; denn er ist meine Hoffnung» (Ps. 62,6).

Was also tun in einer Welt …? … einen anderen Lebensentwurf entgegensetzen. Widerständig leben heißt, dem lärmenden, gehetzten Leerlauf der Sinnlosigkeit die Ruhe und den Frieden im Aufnehmen von Gottes Wort entgegenzusetzen. Still werden vor Gott. Allein im Lesen der Heiligen Schrift, im Gebet Zeit verbringen mit Gott; in der Gemeinschaft mit Glaubensgeschwistern.

Das ist nicht die schwächste Waffe des Widersachers Gottes, dass er die Menschen in den beständigen Lärm, in die (digitale) und staatlich verordnete Unruhe schickt. Erst in der Stille mit Gottes Wort, dem Lesen der Schrift und im Gebet findet sich die stärkere Waffe. Dem Menschen, der die Stille bei Gott sucht, wird bewusst, dass Gott niemanden, keinen einzigen Menschen, der über diese Erde geht, allein lässt. Dem Geängstigten will Gott nahe sein. Es stört ihn nicht, welch falschen Hoffnungen jemand aufgesessen ist. Er sieht den Suchenden, der einfach sagt: «Gott, wenn es Dich gibt, wenn das nicht alles Märchen sind, was in dieser Bibel steht, dann hilf mir doch, dann zeige mir das. Jetzt, heute, lese ich in Deinem Wort. Ich brauche Dich, offenbare Dich mir, bitte!» Ja, das kann der Anfang der Hoffnung sein, aus der das Vertrauen in Gott keimt und wächst, bis aus der Hoffnung schließlich eine feste Zuversicht wird, die Gewissheit: «Gott meint es gut mit mir, mit uns. Er hilft mir.»

Im Vertrauen auf Gott, der Gedanken des Friedens und nicht des Unheils für uns hat (Jer. 29,11), kann der Mensch die verordnete, überzogene Angst vor Krankheit und vor Tod und Teufel ablegen. Den Christen früherer Jahrhunderte, die es mit der Pest und mit der Willkür von Fürsten und Junkern nicht leichter hatten als wir heute, ist dies mit Gottes Hilfe auch gelungen.

Diese überraschende, aber so wichtige und gute Antwort auf die Frage, was wir in unserer aktuellen Zeit tun sollen, hat mich sehr angesprochen! Wenn etwas in unserer lärmerfüllten, schnelllebigen und ruhelosen Zeit zu kurz kommt, dann sind es Zeiten der Ruhe, der Besinnung, des Nachdenkens – und der bewussten Hinwendung in diesen stillen Momenten zu Gott, unserem Schöpfer, und zu seinem Sohn Jesus Christus, unserem Erlöser. Der «andere Lebensentwurf», das «widerständig leben» besteht nicht darin, auf die Straße zu gehen und gegen staatliche Maßnahmen zu protestieren, sondern sich in regelmäßigen Abständen nachdrücklich allem medialen Lärm und den lauten und teils schrillen Stimmen von links und rechts zu entziehen, um mit Gott zu reden (im freien Gebet) und zuzuhören, wie er zu mir redet (durch das Lesen der Bibel). Wenn du bereits eine Beziehung mit dem Herrn Jesus hast, weißt du, wovon ich rede. Wenn du das noch nicht kennst, lade ich dich herzlich ein, es so auszuprobieren, wie der oben zitierte Autor in der Passage «Gott, wenn es dich gibt …» vorschlägt.

Im vergangenen Jahr führte meine Erkrankung zu mehreren Krankenhausaufenthalten; es gab schwierige Tage und durchwachte Nächte, zum Teil mit starken Schmerzen, Übelkeit und totaler Kraftlosigkeit. In diesen Zeiten der unfreiwilligen Stille war mein himmlischer Heiland für mich da. «Der Herr ist mein Hirte,» sang der alttestamentliche Liederdichter König David, der als Jugendlicher Schafe hütete. «Selbst wenn ich durch ein finsteres Tal gehen muss, wo Todesschatten mich umgeben, fürchte ich mich vor keinem Unglück, denn du bist bei mir!»[ii]

Gott ist nicht weit weg, ist nicht unnahbar und unerreichbar, sondern ist uns nahe und kam uns so nah in seinem Sohn Jesus Christus. Wenn ich still werde, mich von allem, was ablenkt (vor allem aus der digitalen Welt), frei mache, und mich ihm offen und ehrlich, aber auch ehrfürchtig, zuwende, dann antwortet er mir. Diese Beziehung lässt mich zur Ruhe kommen, eine Ruhe, die sich total befreiend auswirkt. Solche regelmäßigen Zeiten der Stille wünsche ich dir für 2022!

Andreas Kuhs

[i] factum, 1/22, Schwengeler Verlag Berneck, S. 23-24 – Fettdruck von mir.

[ii] Psalm 23, Verse 1 und 4