Seit letzten Montag, also nun schon eine Woche, bin ich wieder zuhause. Am Donnerstag war ich beim Onkologen in Winterthur. Es geht mir gut, die Blutwerte sind noch besser – und doch sind wir auch beschwert, denn die Therapie ist noch nicht zu Ende …

Liebe Familie und liebe Freunde,

ich wurde tatsächlich am Montag, 13. Dezember 2021, entlassen; bin also schon 1 Woche zuhause, und es geht mir gut! Nur der Appetit ist noch etwas komisch, und ich merke natürlich, dass die körperliche Kraft noch zunehmen muss. Dank der guten Blutwerte hat sich auch das Wasser im Körper, das sich im Krankenhaus angesammelt hatte (mehrere Kilos), innerhalb dieser Woche abgebaut. Das sind wirklich gute Nachrichten und Gründe, sehr dankbar zu sein.

Jetzt freuen wir uns auf einige wenige Begegnungen mit unseren Kindern an den kommenden Feiertagen; natürlich muss ich in diesen ersten Wochen noch aufpassen, mir keinen Infekt einzufangen. Ich werde auch bis Jahresende nicht in die Gemeinde oder zu Besuch anderswo gehen. Mein Onkologe warnte uns am Donnerstag, dass ich zu den „Hoch-Hoch-Hoch-Risiko-Personen“ gehören würde, was Infektionen angeht. 

Ich habe diese für den Körper sehr herausfordernde Therapie gut überstanden, bei der zum zweiten Mal mein Knochenmark und damit die Blutbildung durch die Hochdosis-Chemo komplett zerstört wurde. Die eigenen Stammzellen, die ich zwei Tage nach der Chemo bekam, haben schon am 9. Tag danach Wirkung gezeigt, und mittlerweile sind die Blutwerte zum großen Teil wieder im Normalbereich. Das ergab die Untersuchung in Winterthur am Donnerstag. Das ist wirklich ein Grund zu großer Freude.

Was uns aber trotzdem beschwert, ist das, was in der Überschrift steckt: „Nach der Therapie ist vor der Therapie …“. Der Onkologe eröffnete uns, dass es zunächst ab Januar 2022 eine Konsolidierungsphase geben wird, die ähnlich wie die erste Phase in Zyklen verläuft. Allerdings dauern die zwei geplanten Zyklen vier Wochen; in den ersten beiden Wochen des Zyklus muss ich zweimal pro Woche in die Klinik für Infusion und Spritze und dazu Cortison-Tabletten zuhause einnehmen. In Woche 3 und 4 ist Pause. Das wird also im Januar und Februar sein.

Ab März folgt 2 Jahre lang die sogenannte Erhaltungstherapie, bei der ich alle 14 Tage nach Winterthur fahren muss, um eine Spritze zu bekommen; es handelt sich um dasselbe Krebsarzneimittel, das ich schon in der ersten Phase bekam.

Parallel beginnt im Frühjahr 2022 ein über 2 Jahre gestaffeltes Impfprogramm für die Grundimmunisierung gegen alle Kinderkrankheiten und mit anderen üblichen Impfungen. Dazu kommt über diese Zeit ein Knochenaufbauprogramm mit regelmäßiger Medikation, um die durch das Myelom beschädigten Stellen zu festigen und neue Schäden zu verhindern.

Der Onkologe hatte schon früh ganz allgemein von dieser Phase der Erhaltungstherapie gesprochen, aber erst letzten Donnerstag wurde uns die Tragweite im Detail bewusst. Es ist noch nicht zu Ende! Die letzten Tage hat uns das sehr beschwert. Werden die Krankenhaustermine somit weiterhin unseren Kalender bestimmen und uns in der Bewegungsfreiheit einschränken? Wie schaffen wir es, trotzdem nicht für die Krankheit, sondern mit der Krankheit zu leben? Wie stark werden die Nebenwirkungen dieses Mittels auf längere Sicht sein, die bei mir schon in der ersten Phase aufgetreten waren, wenn auch in leichter Form? Sollen wir überhaupt diese Therapie machen? Ist uns denn die Lebensverlängerung um jeden Preis wichtig? Können wir es nicht darauf ankommen lassen und warten, bis die (unheilbare, bzw. nur durch Gottes Eingreifen heilbare) Krankheit wieder ausbricht? Diese zahlreichen Fragen beschäftigen uns und wühlen uns innerlich auf. Gleichzeitig erleben wir momentan im familiären Umfeld und Freundeskreis auch noch schwere Krankheitsverläufe, wo wir mitleiden.

Gestern Abend telefonierte ich länger mit einem Freund, der dieselbe Krankheit hat und schon ein Jahr in dieser Erhaltungstherapie ist; nach der 14-tägigen Spritze fühlt er sich jeweils für 1 bis 2 Tage total schlapp, und die subkutane Spritze verursacht Brennen und starken Juckreiz.

Danach wurde mir auf einmal bewusst: «Jetzt bist du dank Gottes Gnade so gut durch die zweite Hochdosis-Chemo gekommen, und auch bisher sind die Therapien mit moderaten Nebenwirkungen verlaufen; willst du nicht vertrauen, dass du auch durch die Erhaltungstherapie gut durchkommst – es müssen ja nicht dieselben Nebenwirkungen wie bei deinem Freund auftreten?» Seitdem bin ich innerlich ruhiger geworden, und wir haben uns entschieden, uns dankbar und mit positiver Haltung auf die Therapie einzustellen. Die Verse aus Psalm 112, die über diesem Blogbeitrag stehen, machen uns dazu Mut.

Danke für alle, die uns in dieser Zeit ermutigende Nachrichten geschickt und für uns gebetet haben; wir schätzen es sehr, wenn ihr das weiter für uns tut.

Herzliche Grüße
Andreas

PSEs gibt Medikamente – vor allem solche in flüssiger Form –, bei denen es einem zunehmend schwerfällt, sie ohne Brechreiz einzunehmen, vor allem wenn schon durch die Chemo eine gewisse Grundübelkeit versteckt vorhanden ist. Dazu gehören Mittel zur Darmdekontamination, die ich bei der ersten Hochdosis-Chemo brav einnahm, obwohl mir der Arzt (allerdings erst nach einigen Tagen) erklärte, dass sie optional seien. Tatsächlich wurde mir einige Male davon ziemlich übel. Darum nahm ich sie jetzt beim zweiten Mal nicht, weil schon der Gedanke daran Brechreiz auslöste. Diesmal aber waren sie angeblich nicht mehr optional, sondern „verordnet“; ich musste sie also auf anderem Weg entsorgen. Der Ausguss meines Waschbeckens war am Anfang etwas verstopft; aber nach einigen Tagen der „Entsorgung“ floss das Wasser immer besser und schneller ab. Der Pfleger, dem ich das an einem der letzten Tage gestand, musste schmunzeln. Von Nachahmung möchte ich aber doch dringend abraten!