Die ersten Tage sind mit diversen Überraschungen verlaufen – negative wie positive. Die Behandlung ist erfolgt, jetzt ist wieder warten und Geduld haben dran. Dafür habe ich dank meiner Frau ganz besondere T-Shirts!
Liebe Familie und Freunde,
seit Montag bin ich nun in der Uniklinik in Zürich, und es hat sich einiges ereignet in dieser Zeit. Am Dienstag bekam ich die Hochdosis-Chemotherapie, und gestern wurden mir meine eigenen Stammzellen wieder per Infusion verabreicht. Damit ist die Behandlung im Wesentlichen abgeschlossen, jetzt heißt es warten und die nächsten Tage durchstehen.
Auch wenn es sich wie eine Wiederholung anhört, so ist doch einiges diesmal ziemlich anders gelaufen. Da sind eher unangenehme Überraschungen dabei, dann aber auch Führungen, über die ich einfach nur staunen kann.
Von Modern & Steril zu Alt & Charmant
Die Anmeldung schickte uns am Montagmorgen nicht auf dieselbe moderne Isolierstation, sondern die „Normal-Station“ im alten Gebäude gegenüber. Als wir auf dieser Station ankamen, fragte mich eine der Pflegefachfrauen, ob ich der Herr Kuhs sei, und eröffnet mir dann folgendes: Leider sei das Einzelzimmer, dass sie für mich vorgesehen hätten, belegt, weil sie eine Person isolieren mussten. Ich käme jetzt auf ein Zweibettzimmer, würde aber dann, wenn die kritischen Tage kämen, in jedem Fall in ein Einzelzimmer verlegt werden. Das war natürlich ein ziemlicher Dämpfer. Der verstärkte sich noch, als wir realisierten, wie eng es in diesem Zweibettzimmer war. Es war dunkel und für mich gab es keinen Blick aus dem Fenster, sondern nur auf den Trennvorhang.
Es erfolgten die ersten Informationen, die Pflege nahm meine Werte ab, zapfte Blutproben für das Labor und führte einen Nasenabstrich für den Covid-19 Test durch. Ich räumte zwischendurch einige meiner persönlichen Sachen in den Nachtischschrank. Der Stationsarzt stellte sich vor, gab mir Informationen und beantwortete meine Fragen. Ansonsten hieß es immer wieder warten.
Covid verhilft zum Einzelzimmer
Da kam plötzlich ein Anruf von unserem Sohn Felix. Da seine beiden Töchter seit einigen Tagen Fieber hatten, hatte er am Morgen vor der Arbeit einen Schnelltest machen lassen, der positiv war. Darum musste er noch einen PCR Test machen, und dann zu Hause in Isolation das Ergebnis abwarten. Er rief uns jetzt deshalb an, weil wir einige Tage vorher noch Kontakt gehabt hatten und seine beiden Kinder seit dem Tag danach Fieber hatten.
Ich informierte sogleich die Pflege, die dann mit den Ärzten berieten. Der Zimmernachbar, der das natürlich alles hörte, fragte gleich ganz voller Sorge, was das denn für ihn bedeutete. Er war schon eine Woche da und kurz vor der Aplasie, den kritischen Tagen. Daher war seine Sorge verständlich.
Die Ärzte beschlossen, mich sofort zu isolieren. Und so war ich eine halbe Stunde später mit Bett und Nachtisch in dem frei geräumten Einzelzimmer. Ihr könnt euch vorstellen, dass ich darüber überhaupt nicht unglücklich war. Dieses Gebäude hat tatsächlich schon 8 Jahrzehnte auf dem Buckel und steht unter Denkmalschutz. Das Zimmer ist längst nicht so geräumig wie in der modernen Station, aber dafür hat es tatsächlich viel mehr Charme. Es hat große Fenster. So kann ich zwischendurch frische Luft hereinlassen. Die Sonne scheint immer wieder mal herrlich herein, oder ich kann zusehen, wie der Schneeregen herunterprasselt. Ab und zu habe ich einen wunderschönen Blick auf den Zürichsee und die Berge dahinter, wenn sie nicht gerade von Wolken verdeckt sind.
Einige Zeit später schickte mir Felix eine Nachricht: er habe zu Hause noch mal einen Selbsttest gemacht, und der sei negativ ausgefallen. Die offizielle Bestätigung durch den PCR Test würde aber frühestens am nächsten Tag da sein.
Nachmittags kam die Pflege und teilte mit, dass mein Covid-19 Test negativ sei, und dass sie mich daraufhin bei der Anästhesie für das Anlegen des zentralen Venenkatheters (ZVK) angemeldet hätten; so könnte das Programm – die Hochdosis-Chemo – wie geplant am nächsten Tag starten.
Um die Pointe nicht lange hinauszuzögern: Der PCR Test von Felix erwies sich am nächsten Tag als negativ – falscher Alarm. Aber es hat mir zum Einzelzimmer verholfen, wofür ich sehr dankbar bin. So kann ich telefonieren, beten, singen und Besuch von meiner Frau bekommen, ohne dass es jemanden stört, habe meine eigene Nasszelle und das Waschbecken und Schrank im Zimmer für mich.
ZVK legen – diesmal sehr unangenehm!
Am späten Nachmittag schoben sie mich im Bett über enge Aufzüge und Gänge hinunter in den „Schockraum“ zur Anästhesie. Das klingt ja schon bedrohlich, aber ich gehe davon aus, dass hier die Profis am Werk sind. Vom ersten Mal im August hatte ich das als etwas Unangenehmes in Erinnerung, aber schnell vorbei und professionell erledigt. Der ZVK wird unter dem rechten Schlüsselbein in die Vene geführt, die vom Arm herkommt und direkt in das Herz führt. Da wird ein Drahtgitter eingeschoben, das nachher, wenn es richtig liegt, geweitet wird, damit der Katheter mit seinen drei dünnen Schlauch-Anschlüssen hineinführt werden kann. Der Schlauch wird dann mit der Haut vernäht. Die Wunde wird mit einem Pflaster geschützt, und ein Clip, der auf die Haut geklebt wird, sorgt für Zugentlastung.
Diesmal allerdings sollte eine recht jung aussehende Anästhesie-Ärztin den Eingriff vornehmen, unterstützt von einer älteren und umsichtigen OP-Pflegerin. Nachdem sie die erste lokale Betäubungsspritze gesetzt hatte, fing sie an. Sie drückte und fuhrwerkte und drückte wieder. Einmal fragte ich, ob es Problem gäbe, und sie meinte, sie käme nicht richtig unter das Schlüsselbein, und würde jetzt noch einmal nachspritzen zum Betäuben. Das ging eine ganze Weile und tat zwischendurch ziemlich weh. Ich sei tapfer, meinte sie. Na ja, was sollte ich tun, als gute Miene dazu machen und mich zu beherrschen?
Schließlich bat sie die Assistentin, den Kollegen von nebenan zu rufen. Der kam dann, und erklärte ihr, wie sie es machen musste, und blieb dabei. Endlich funktionierte es. Und sie schob das Drahtgitter vor. Das ist irgendwie unangenehm, und vor allem wurde ich nervös, als ich merkte, dass mein Herz stolperte. Ich sagte sofort etwas, und der Arzt meinte: Ja, das sei doch gut, sie hätten das auch sofort auf dem Monitor gesehen, und da wüssten sie, dass sie am richtigen Ort sind, und ziehen es einfach wieder ein Stück zurück. In der Regel würden die meisten Patienten das ja nicht mitkriegen, da sie den Eingriff kurz vor der OP unter Vollnarkose machten. Toll, dachte ich, warum lasst ihr dann die junge Ärztin nicht an denen üben, und lasst die erfahrenen Ärzte es bei denen machen, die nur örtlich betäubt werden!
Jedenfalls hatte ich ein ziemliches Druckgefühl auf der rechten Brust, nachdem sie mich noch geröntgt und damit die Lage des Katheters kontrolliert hatten, und ich im Bett wieder nach oben gebracht wurde.
Am späteren Abend saß ich eine Weile am Bett und telefonierte bzw. las Nachrichten auf dem Smartphone, als ich plötzlich ein Nässegefühl am rechten Arm verspürte. Mein Krankenhaushemd war rechts total mit Blut getränkt – die Wunde hatte plötzlich heftig zu bluten begonnen. Ich klingelte sofort, und die Pflegefachfrauen wurden etwas nervös, entfernten die Pflaster und drückten die Wunde fest zu. So brachten sie die Blutung zum Stillstand und riefen dann den Arzt herbei. Der besah sich die Sache und beschloss, dass am nächsten Morgen nochmal eine Lagekontrolle im Röntgen vorgenommen werden sollte. Die Wunde sollte über Nacht beobachtet werden. Ob es wohl auch nach innen geblutet hatte und ich noch ein schönes Hämatom bekommen würde?
Dem Herrn sei Dank ist es dabei geblieben. In der Zwischenzeit ist die Wunde gut verheilt, das Hämatom ausgeblieben, und vor allem: Der Zugang funktioniert tadellos. Die Lage war gut, und so bekam ich am nächsten Vormittag wie geplant die Hochdosis. Dazu kommen noch Cortison und Mittel gegen die Übelkeit, die ich regelmäßig bekomme.
Stammzellen gestern erhalten
Gestern Morgen habe ich dann auch noch meine Stammzellen erhalten, 3 Beutel mit insgesamt über 5 Millionen Zellen, die innerhalb einer halben Stunde per Infusion gegeben wurden. Alles ging ohne Komplikationen über die Bühne, und ich fühle mich bis jetzt noch recht gut.
So geht es weiter
In diese 2. Runde bin ich mit generell besseren Blutwerten gestartet als im August bei der 1. Runde. Die letzten 3 Monate ohne Chemo haben mir eine gute Erholung und Verbesserung aller Werte geschenkt. Der Grund dafür liegt in dem tadellosen Funktionieren der Stammzellen, die ich in der 1. Runde bekommen habe. Jedenfalls zeigte das der Befund der Knochenmarksprobe, die der Onkologe in Winterthur noch am letzten Donnerstag, 25. November, entnommen hatte.
Da kann ich nur in das Staunen und das Lob zu Gott einstimmen, das der König David schon vor Jahrtausenden im Psalm 139, den Versen 13 bis 17 niedergeschrieben hat. Ich las heute Morgen als Teil meines Bibelleseplans diesen Psalm:
13 Du bist es ja auch, der meinen Körper und meine Seele erschaffen hat, kunstvoll hast du mich gebildet im Leib meiner Mutter. 14 Ich danke dir dafür, dass ich so wunderbar erschaffen bin, es erfüllt mich mit Ehrfurcht.
Ja, das habe ich erkannt: Deine Werke sind wunderbar! 15 Dir war ich nicht verborgen, als ich Gestalt annahm, als ich im Dunkeln erschaffen wurde, kunstvoll gebildet im tiefen Schoß der Erde. 16 Deine Augen sahen mich schon, als mein Leben im Leib meiner Mutter entstand. Alle Tage, die noch kommen sollten, waren in deinem Buch bereits aufgeschrieben, bevor noch einer von ihnen eintraf. 17 Wie kostbar sind für mich deine Gedanken, o Gott, es sind unbegreiflich viele!
Gott ist der Herr über jede Zelle meines Körpers! Darum vertraue ich, dass er mich auch durch die nächsten schwierigen Tage bringt.
Was ich hier über meine Erlebnisse erzählte, habe ich überschrieben mit „Getragen und geführt …“. Das entstammt einem wunderbaren Lied, dessen Text ich euch auszugsweise im Anhang noch mit abdrucke.
Für heute seid alle gegrüßt; danke für alle Rückmeldungen, ermutigenden Nachrichten und vor allem für eure Gebete!
Herzliche Grüße
Andreas
PS 1: Auszug aus dem Lied (Loben Nr. 350)
Gemeinsam hat uns Gott diese Zeit geschenkt.
Schau zurück und sieh, was er für uns getan!
Schon oft hat er die Schwierigkeit zum Guten gelenkt,
der große Gott, wir beten ihn an!
Refrain:
Getragen und geführt, behütet und beschirmt,
voll Treue, voll Liebe und Geduld.
Als Vater, der sein Kind auch in Ewigkeit nicht lässt,
nimmt er uns an der Hand,
will auch in Zukunft bei uns sein.
Wir haben es geseh‘n, dass Gott wachsen lässt,
jeden Tag durch Freude und durch Traurigkeit.
Als wunderschöner Baum, der nun steht felsenfest,
bist du gereift durch Gottes Gütigkeit.
Text und Melodie: Juliane Elter; Quelle: Liederdatenbank